Berühmte Berge, große Namen…

Ist es nicht auffallend, wie viele Geistliche die Anfangszeit des Alpinismus prägten? In Ramsau war dies jedenfalls so. Auch der Symbolberg des deutschen Alpenraumes, der Watzmann, wurde im August des Jahres 1800 von einem angehenden Priester, dem Slowenen Valentin Stanič, bezwungen. Sein Motiv war vorrangig wissenschaftlicher Natur: Er wollte die geografische Lage des Gipfels genau bestimmen. Wenige Jahrzehnte später verlor dann ein Ranghöherer sein Herz an die bleichen Berge des Berchtesgadener Landes: Friedrich Johann Joseph Coelestin Fürst zu Schwarzenberg – der spätere Erzbischof von Salzburg. Als Theologiestudent erklomm er im Jahre 1825 den Hundstod, 1830 dann Schönfeldspitze und Hochkalter, letzteren über eine heute kaum mehr begangene Route an der Westseite. Und drei Jahre später gelang dem Theologen Peter Karl Thurwieser – von manchen als „Bergnarr im Priesterrock“ bezeichnet – der heutige Normalweg auf den Hochkalter über den „schönen Fleck“– ein Anstieg, der immerhin mit Kletterstellen im II. Schwierigkeitsgrad gewürzt ist. Thurwiesers Bergverständnis entsprach schon ziemlich genau dem unseren – man könnte ihn als einen der ersten „Genussbergsteiger“ ansehen, der ohne besonderen Zweck und um der reinen Freude willen unterwegs war. Dazu passt, dass er am Gipfel gerne seine selbstgebastelten Raketen abfeuerte – ein Brauch, der heutzutage eher Befremden hervorrufen würde.

1881 gelang die erste Durchsteigung der Watzmann-Ostwand durch Johann Grill, genannt „Kederbacher“ – ausnahmsweise kein Geistlicher, dafür aber Bauer und Holzknecht aus Ramsau. Als erster autorisierter Bergführer Deutschlands war er mit den damals renommiertesten Bergsteigern unterwegs, etwa mit Johann Stüdl, Eduard Richter, Karl Blodig oder Ludwig Purtscheller.

„Eine stille Sommernacht war hingegangen über die Berge, und der Tag wollte kommen. Um die regungslosen Wipfel der alten, schwer mit Moos behangenen Fichten fiel schon ein graues Licht und zitterte durch alle Lücken des steilen Waldes. Einzelne Vogelstimmen ließen sich schüchtern vernehmen. Sonst lautlose Stille. Nur manchmal ein helles Klirren, wenn die beiden Männer, die auf schmalem Wildpfad durch den Wald emporstiegen, mit den gestachelten Bergstöcken die Moosdecke durchbohrten und auf Stein gerieten.”

An diese Schilderung des Spätromantikers Ludwig Ganghofer muss ich denken, als wir in aller Herrgottsfrühe durch schütteren Bergwald gegen die Ostflanken des Hochkalter hinaufsteigen. Die Eckau-Alm liegt schon weit unter uns, und bald werden wir die nach Thymian duftenden Schafweiden der Hochalm erreichen. Heute wollen wir die Schärtenspitze über die Eisbodenscharte erklimmen und in einer großzügigen Rundtour über die Blaueishütte wieder ins Tal gelangen. Wir befinden uns bereits tief im Nationalpark Berchtesgaden. Dieser hat eine spezielle Gründungsgeschichte: Nachdem in den späten 1960er Jahren wieder einmal die Idee einer Personenseilbahn auf den Watzmann aufgetaucht war, ruhten die Naturschutzorganisationen – darunter auch der Deutsche Alpenverein – nicht eher, bis die bayerische Staatsregierung grünes Licht für den Nationalpark gegeben hatte – und das Seilbahnprojekt war damit endgültig Geschichte.

Nun treten wir ins strahlende Morgenlicht. Die Sonne ist über den mächtigen Riegel des Watzmann-Massives empor gestiegen und modelliert die Pfeiler der Blaueisspitze überscharf heraus. Noch bläst der morgendliche Bergwind und kämmt die Wolle der Schafe, die sich von uns nicht beeindrucken lassen und im Takt ihrer scheppernden Glocken die Blumenwiesen abmähen. Bald verlassen wir die Grasmatten und kämpfen uns über feinen weißlich-grauen Schutt zu jener Rinne hinauf, die zum Südgrat der Schärtenspitze führt. Nicht mehr lange, und wir stehen auf dem winzigen, von einem bescheidenen Kreuz gezierten Gipfelplatz. Rings umher bauen sich berühmte Berggestalten wie riesige Monumente auf: Blaueisspitze und Hochkalter, die Südabstürze der Reiter Steinberge, die freundlicheren Formen des Lattengebirges, weiter draußen die Südwände des Untersberges, das Göllmassiv und schließlich die wuchtige, gebänderte Felsmauer des Watzmann: Ungezählte Möglichkeiten, die ein ganzes Bergsteigerleben ausfüllen könnten…